Andacht von Verena
Jeder von uns (Mensch, aber auch Tier, sogar Bakterien etc.) steht in irgendeiner Art und Weise in einer „Beziehung“: als Tochter oder Sohn, als Bruder oder Schwester, als Freund/In, Enkel/In, Ehepartner/In etc.
Wir sind uns – denke ich – einig, dass es keine „Nicht-Beziehungen“ gibt, oder?
- Was ist aber mit Witwen? – sie sind ohne Mann!
- Singles? – sie sind ohne Partner!
- Armen? – sie sind ohne Geld/Besitz!
- Waisen? – sie sind ohne Eltern!
- Geschlagene/Missbrauchte? – sie sind ohne ein liebendes, schutzgebendes Gegenüber!
- Verstoßene/Aussätzige? – sie sind ohne haltgebenden Familienverband, Dorfgemeinschaft, Gesellschaft, die sie versorgen und inkludieren, anstatt exkludieren.
Das bewegt und bedrückt mich sehr.
Kann man etwas gegen diese „Ohne-Beziehungen“ tun?
1. Menschen verbinden
BEISPIEL 1:
Vor einigen Jahren hatte ich in Linz eine spannende Erfahrung gemacht. Ich organisierte gemeinsam mit einem großen Team eine christliche Studentenkonferenz für 2000 Studenten aus ganz Europa: Unzählige viele Begegnungen mit alten und neuen Freunden aus der ganzen Welt. Nach 5 Tagen stoben alle wieder in die vier Himmelsrichtungen auseinander, in ihre Heimatländer zurück. In Linz blieb ein kleines Grüppchen von etwa 10 Studenten zurück. Das fühlte sich dann klein, leer, irgendwie fast hoffnungslos an.
Nach rund einer Woche allerdings, schrieb mich eine Amerikanerin über die Facebook-Gruppe von besagter Studentenkonferenz an, ob sie sich mit mir in Linz treffen könne – denn sie sei in Linz. Ich fragte sie, wie sie auf mich gekommen sei, da auch 300 andere Leute in der Gruppe wären, von denen aber tatsächlich nur ich in Linz war. Sie meinte, sie hat gebetet und dann zwei Leute wahllos angeschrieben…! Sie suche Anschluss an eine christliche Gruppe, sie fühle sich in Österreich – abgesehen von dem Volleyballteam – sehr alleine, könne auch kein Deutsch.
Sie war nur für 1 Jahr hier, da sie in der Volleyball-Bundesliga spielte (war die Topscorerin von 2008), aber mittlerweile sehr allein und verzweifelt. Und so trafen wir uns schließlich Wochen später zum erstenmal persönlich. Sie strahlte über das ganze Gesicht, die Hoffnung war zurückgekommen! Im Laufe des Jahres lernte sie einige andere christliche Studenten kennen, wir frühstückten gemeinsam am Pfarrplatz, machten Ausflüge, lachten viel.
Ich liebe es Menschen miteinander und untereinander zu verbinden und zu beobachten, wie sich Freundschaften zu Ehen hin entwickeln und Beziehungen gebaut werden.
2. Beziehungen bauen
Nun ein wenig über „Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau“:
Heutzutage ist es nicht unbedingt leichter ein Gegenüber zu finden – wie damals – um seinen Status der „Ohne-Beziehung“ zu ändern… [während der Corona-Pandemie ist es sogar noch schwerer geworden.]
Darum habe ich ja auch die Singlearbeit „Herzens-An-Gelegenheit“ mit einer Freundin gemeinsam gegründet, um Menschen einen Rahmen zu ermöglichen, wo sie sich mit Gleichgesinnten austauschen und vernetzen können.
Wir haben auch überlegt:
- was sind heute diese „Brunnen von damals“, wo Menschen einfach so zusammentrafen, weil sie täglich Wasser holen mussten und neue Begegnungen „absehbar“ waren?
- Wo sind die Orte, die den Start von Beziehungen erst ermöglichen? (und ich meine hier nicht Tinder, Parship und Co)
Werfen wir dazu erstmal einen Blick ins Alte Testament:
BEISPIEL 2:
Vor nicht ganz 4000 Jahren, im 19. Jh. v. Chr., lebte Isaak, der Sohn Abrahams. Er war noch „ohne Frau“ (1. Mose/ Genesis 24) und daher schickte sein Vater den Verwalter nach Mesopotamien auf Brautschau. Er hatte den gewichtigen Auftrag zur Verwandtschaft Abrahams (nämlich zu Abrahams Bruder Nahor) zu gehen, dort Verbindungen zu knüpfen, die in eine Ehe für Isaak münden würden.
Der Verwalter hatte Angst und wollte nicht versagen.
Müde am Ziel angekommen, kniete er sich mit seinen Kamelen, die er im Schlepptau hatte, beim Brunnen nieder und betete:
„HERR, du Gott meines Herrn Abraham, gib mir Glück zu meinem Vorhaben!
Sei gut zu meinem Herrn und erfülle seinen Wunsch!“ (v12)
Er hatte auch gleich einen Vorschlag parat, wie Gott ihm zeigen sollte, wer die Richtige für Isaak wäre – DAS Mädchen nämlich, das ihm und seinen Kamelen vom Brunnenwasser zu trinken gäbe, sollte diejenige Welche sein. Und es geschah genau wie gehofft: dieses Mädchen war die Enkelin von Abrahams Bruder Nahor und seiner Frau Milka, und hieß Rebekka. Sie gingen gemeinsam zur Sippe nach Hause und der Deal wurde nach ausführlicheren Gesprächen beschlossen.
Rebekkas Bruder Laban, offenbar ihr eingesetzter Vormund, erkennt durch die Erzählung des Verwalters in dieser Begegnung am Brunnen Gottes Fügung (v50). Er gibt Rebekka als Braut frei, die aus freien Stücken zustimmt mitzugehen.
Gleich am nächsten Tag bricht der Verwalter mit Rebekka, ihren Dienerinnen auf seinen Kamelen auf (v61). Am Ende ihrer Reise treffen sie den Bräutigam Isaak auf dem Feld, der in der Nähe des Brunnen Lahai-Roi (v62) wohnte. [Ja, Brunnen waren lebensspendend; man siedelte sich natürlich auch nur dort an, wo es Wasser gab…]
Sogleich geleitete Isaak, der damals bereits 40 Jahre alt war (Gen 25,20) seine Braut ins Zelt (der Sara, seiner Mutter) und nahm sie zur Frau.
Isaak gewann Rebekka lieb (v67). Immerhin ist dieser Satz auch enthalten! Es scheint, sie haben nicht viele Worte gewechselt, ehe es „zur Sache“ ging. Leider blieben sie 20 Jahre kinderlos, deshalb betete Isaak zum HERRN (Gen 25,21) und – so steht es geschrieben –der HERR erhörte seine Bitte.
Rebekka empfing die Zwillinge Esau und Jakob.
[Der Brüderzwist dieser beiden wäre eine eigene Predigt. Den Teil lassen wir heute beiseite.]
Diese „arrangierten Ehen“ sind aus heutiger Sicht natürlich eine „altmodische, nicht gangbare Herangehensweise“. Sie werden von uns oft mit Augenrollen und Unverständnis quittiert. Wenn man anderen Erdteile betrachtet, sind sie aber nach wie vor gängig/üblich.
Bei Herzens-An-Gelegenheit schreiben uns immer wieder Teilnehmer von einer inneren Hoffnung getrieben an, dass sie einen Partner suchen und ob wir ihnen dabei helfen könnten. Wir sind aber keine Partnervermittlung. Gegen dieses Attribut sträuben wir uns. Denn wir wollen, dass die Leute sich selbstständig ihr Gegenüber wählen, kennen und lieben lernen. Wir sind überzeugt, dass Beziehungsbau wirkliche, echte, teilweise auch harte Arbeit ist und man diese auch selber „verrichten“ muss. Ich kann ja auch nicht für jemanden anderen in einer Beziehung oder gar Ehe sein. Das umschließt exklusive nur diese beiden Menschen.
BEISPIEL 3:
Steigen wir wieder im 28. Kapitel von Genesis (1. Mose) ein, als Jakob schließlich selbst heiratsfähig ist und sein Vater Isaak ihn ebenso an eine mesopotamische Frau verheiraten will, wie eben auch seine eigene Ehefrau eine war. Jakob gehorchte und zog sogleich fort, zu seinem Onkel Laban.
[Esau, Jakobs Bruder, der Erstgeborene hingegen war übrigens widerborstig und hatte begriffen, dass seinem Vater die Kanaanitischen Frauen zuwider waren, weshalb er sich extra eine weitere Kanaaniterin zu seinen schon bisherigen Frauen schnappte.]
Wieder spielte sich alles bei einem Brunnen ab. Aber diesmal war es ein wenig anders:
(Kap 29,2f.) Als Jakob schließlich bei einem Brunnen angekommen war, wo auch Hirten gerade im Begriff waren ihre Schaf- und Ziegenherden zu tränken, kam auch eine junge Frau namens Rahel mit ihrer Herde herbei. Es stellte sich sogleich heraus, dass sie seine Cousine war. Er freute sich sehr und im Überschwang, endlich bei seiner Verwandtschaft angekommen zu sein, küsste er sie und weinte im gleichen Moment (v11).
War sein Gebet bereits erhört worden und war diese Dorfschönheit seine vorherbestimmte, zukünftige Frau? Jakobs Hoffnung war sehr groß.
Bereits ein Monat lang baute er die Beziehung zu seiner Verwandtschaft auf, lebte im großen Haushalt mit und bewährte sich als fleißiger Helfer. Schließlich wollte sein Onkel Laban „einen Lohn“ für seine Arbeit mit ihm ausmachen. Jakob nannte siegessicher seinen tiefsten Herzenswunsch, nämlich Rahel zu heiraten und bietet sich im Gegenzug als Arbeitskraft an:
7 Jahre wolle er für Laban arbeiten und dann Rahel ehelichen (v18). Laban stimmte zu.
7 Jahre an harter Beziehungsarbeit standen Jakob bevor. Und das, obwohl er noch nicht einmal die traute Zweisamkeit erlebte. Irgendwie fühlt sich dieser „Beziehungsbau“ in seinem Fall so an, als müsste er sich das Vertrauen der ganzen Familie, ja Sippe, die ja seine eigene war, erarbeiten, ja sich fast seine Braut „erkaufen“.
Aber diese 7 Jahre vergingen wie im Fluge (v20) – ja, die Liebe erträgt jede Art von Anstrengung leichter – und endlich stand der Hochzeitstag bevor: abends wurde die Braut ins Zelt zu Jakob geführt. Das lange Warten hat ein Ende… Oder doch nicht?
Als Jakob am nächsten Morgen erwachte, lag nicht seine geliebte Rahel, sondern ihre ältere Schwester Lea bei ihm im Bett! Was für ein Schock!
Zutiefst enttäuscht über den Verrat, stellte er den Onkel zur Rede:
„Jetzt habe ich 7 Jahre mit dir und euch allen Beziehungen gebaut, gehakelt wie ein Wilder, mich gefreut, dass ich Rahel endlich heiraten darf, und dann das? Was soll das?“ (v25)
Laban entschuldigte sein Verhalten mit der vorherrschenden Sittenkultur, dass nämlich die Jüngere nicht vor der Älteren verheiratet werden dürfe und bietet ihm nach der Hochzeitswoche als zweites Geschenk noch seine jüngere Tochter Rahel als weitere Brautgabe an, allerdings mit der Bedingung nochmals 7 Jahre für ihn zu arbeiten.
„Na toll… das ist jetzt aber genug Zeit für einen gründlichen Beziehungsbau, oder? Hut drauf?“
Gesagt, getan. Aus Liebe zu Rahel würde Jakob wohl alles tun… er stimmte zu.
3. Hoffnung schöpfen
BEISPIEL 4:
Meine letzte biblische Geschichte für heute, spielte sich wiederum an einem Brunnen ab. Wir lesen sie in Johannes 4, diesmal im Neuen Testament. Der sog. „Jakobsbrunnen“, also der Platz den unser Jakob wiederum seinem Lieblingssohn (natürlich mit Rahel gezeugt) vermacht hatte; nämlich Josef, der mit den Träumen und dem „amazing technicolor dreamcoat“. So schließt sich der Kreis wieder…
Der Jakobsbrunnen lag in Samarien, einem Gebiet, das fromme Juden mieden, um sich nicht „unrein“ zu machen. Jesus Christus zog genau hier vorbei und machte noch dazu mitten am helllichten Tag an besagtem Brunnen Halt, um zu rasten. Er hatte keine Angst vor Gelächter, Aussatz oder dummem Geschwätz.
Als eine samaritische Frau herantrat, forderte er von ihr einen Becher Wasser zum Trinken.
Er, der bereits bekannte Rabbi, und eine Frau, die er ja nicht mal ansehen dürfte und die wohl auch ein liederliches Lebenführte, da sie zu einer Zeit an den Brunnen ging, wo sie gewiss sein konnte, keine Menschenseele anzutreffen, da die Sonne heiß herunterbrannte.
Etwaige Begegnungen wollte sie gewiss vermeiden. ... „Nein, heute kein Tratsch über das beste Fladenbrot der Stadt.“
Jesus ist hinsichtlich Beziehungen sowieso das Vorbild Nummer eins für mich:
- Er beruft gewöhnliche, einfache Menschen, wie z.B. einige Fischer am See Genezareth zu außergewöhnlichen Nachfolgern und formt sie zu Leitern und Weltveränderern
- Er weist die Führungselite der damaligen Zeit anständig zurecht
- Er berührt ohne zu Zögern oder sich zu ekeln Menschen, die sonst „ohne Berührungen“ bleiben würden, weil sie Lepra oder eine andere Krankheit hatten
- Er heilt Blinde - Menschen ohne Sehvermögen; Lahme - ohne Gehfähigkeit
- Er investiert sich in Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen
- Er isst mit den verschrieensten Menschen zu Abend, die keiner je zu sich nach Hause einladen würde: Zolleinnehmer und Prostituierte (Menschen ohne Gesellschaftliche Anerkennung)
- Er verbringt seine wertvolle Zeit mit drei Jüngern im engeren Kreis und zwölf Aposteln im größeren Kreis
- Er lebt in der exklusivsten Gemeinschaft überhaupt – dreieinig – als Sohn mit Vater und Heiligem Geist. Und das Beste dran: diese Gemeinschaft ist keine „geschlossene Gesellschaft“, sondern Gott sehnt sich nach einer hoffnungsVOLLEN Beziehung mit dir und mir. Er sehnt sich nach einer besonders intimen Gemeinschaft mit uns Menschen. Eigentlich unglaublich und unfassbar, oder?
In Gottes Augen ist jeder Mensch wertvoll. Was zählt ist nicht der religöse oder ethnische Hintergrund, das Geschlecht, schon gar nicht die Sprache oder Hauptfarbe … Gott ist barmherzig und erbarmt sich unser aller.
Das heißt er gibt sein Herz für uns; Jesus gibt sein Leben für uns.
Gott sehnt sich nach inniger Gemeinschaft mit uns und will uns helfen Beziehungen voller Hoffnung zu bauen. Er setzt uns zum Segen für andere ein. Er lädt uns ein diese Welt zum Guten zu verändern und uns in der Gesellschaft zu engagieren. Er fordert uns heraus, sich über Vorurteile hinwegzusetzen und jeden Menschen als wertvoll, als Geschöpf Gottes, zu betrachten und zu behandeln. Auch die Tierwelt zu pflegen und zu bewahren, den Garten der Natur zu bebauen und letztlich ihn anzubeten.
In allen meinen heutigen Beispielen beteten die Menschen um Hilfe, um Beistand und um Führung, ihre „Ohne-Beziehung“ zu beendigen bzw. sich von Gott selbst verändern zu lassen.
Auch die Samariterin ließ sich auf diese unmittelbare Begegnung mit Jesus ein.
Er erklärte ihr, dass er IHR „lebendiges Wasser“ geben kann, von dem sie nie mehr durstig werden würde. Sie erkannte in seiner Zusage an ihre Person, dass sie wertvoll, geschätzt und ehrbar war, auch wenn sie sich selbst schämte, weil sie mehrere Männer hatte und dennoch nicht verheiratet war. Damals ein absolutes No-Go!
Er nahm sich in brütender Hitze Zeit ihr zu erklären, wo und wie sie in Beziehung mit dem allmächtigen Gott kommen könne und wo sie ihn anbeten könne. Durch diese Herzensbeziehung erkannte sie Jesus Christus als ihren Retter. Denn er war ihr nahegekommen und hatte ihr Hoffnung und Leben geschenkt. Letztlich hat ER ihr zu trinken gegeben und damit war ihre Sehnsucht nach erfüllten hoffnungsvollen Beziehungen gestillt.