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Verbunden (Text von Susanne Niemeyer)

Fotocredit: © Stefanie Harjes, Hamburg (@stefanie_harjes) - Freundlicherweise zur Verfügung gestellt!
Fotocredit: © Stefanie Harjes, Hamburg (@stefanie_harjes) - Freundlicherweise zur Verfügung gestellt!

Ein Text von Susanne Niemeyer

(freundlicherweise von der Autorin zur Verfügung gestellt)

 

 

Verbunden

Ich war mit Jesus beim Amt. Das mit den Formularen ist nicht so seine Sache. „Familienstand?“, fragte die Sachbearbeiterin und Jesus fragte zurück, was es denn zur Auswahl gebe.

 

 

 

Sachbearbeiterinnen schätzen keine Verzögerungen und deshalb auch keine Rückfragen. Sie wurde konkreter: „Verheiratet?“ „Nein.“ „Verwitwet?“ „Auch nicht.“ „Geschieden?“ Jesus schüttelte den Kopf. „Also ledig“, fasste sie zusammen und wollte das Kreuzchen setzen.

Die Schlange hinter uns wurde immer länger. Die ersten begannen zu drängeln und wollten wissen, warum es nicht weitergeht. Jesus schien das nicht zu bemerken. Was mit „ledig“ gemeint sei, fragte er. Unsere Sachbearbeiterin holte tief Luft. Ihr Physiotherapeut hat ihr sicher nahgelegt, sich weniger aufzuregen. „Na, sind Sie alleinstehend?“ „Auf keinen Fall“, erwiderte Jesus. „Ich habe 12 Freunde. Einen nenne ich Bruder. Und eine Freundin, die ich mehr liebe, als alle anderen.“ „Das zählt nicht“, entgegnete die Frau ungerührt. „Ach. Was zählt dann?“ Die ersten traten aus der Schlange und wollten mitreden: „Ich habe zwei Katzen, zählt das?“ „Ich spiele seit 23 Jahren mit denselben Leuten Doppelkopf. Das muss man erstmal schaffen!“ „Und ich habe drei Patenkinder. Was ist damit?“ Die Sachbearbeiterin begann, sich die Schläfen zu massieren. Sie konnte nichts dafür. Schließlich hat sie die Formulare nicht erfunden, sie wollte einfach nur Feierabend. Aber daran war vorerst nicht zu denken. Alle redeten durcheinander: „Ich habe drei Freundinnen, die kenne ich seit der Schulzeit. Wir hören ein halbes Jahr nichts voneinander und dann reden wir weiter, als hätten wir uns gestern gesehen.“ „Ich habe drei phantastische Kinder mit zwei Männern.“ „Und ich hatte fünf Beziehungen, dreieinhalb davon waren sehr glücklich.“ „Ich habe 53 Schwestern in einem Kloster. Wie nennen Sie das?“ „Mein Arbeitskollege bringt mir jeden Montag Kuchen mit. Selbstgebacken. Und wenn ich krank bin, auch mal Hühnersuppe.“

Jesus sagte gar nichts mehr, weil genügend andere redeten, aber ich sah, dass er lächelte. Ich glaube, ihm gefiel der Tumult. Auch wenn die Frau ihm wahrscheinlich leidtat. „Und jetzt?“, fragte er, als es wieder ruhigerwurde. „Was machen wir jetzt?“ Unsere Sachbearbeiterin ließ den Blick von einer zum anderen wandern. Ich sah, wie sie dachte: Warum nicht. Irgendwie haben sie ja recht. „Ich erfinde jetzt einfach eine neue Kategorie“, sagte sie, zeichnete in eine neue Zeile ein Kästchen und schrieb dahinter: „Verbunden“. Dort machte sie ein Kreuzchen, und alle applaudierten.

 

Text freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der wunderbaren Autorin Susanne Niemeyer, www.freudenwort.de

 

Mein Wort-Schatz

 

Jesus fragte: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Geschwister?“

Dann zeigte er auf seine Jüngerinnen und Jünger: „Das hier sind meine Mutter und meine Geschwister.“

Matthäus 12, 48+49