Sarit Yishai-Levi
„Die Schönheitskönigin von Jerusalem“
Aufbau Taschenbuch
978-3-7466-3345-9
12,99 € (D), 13,40 € (A)
Unter diesem Titel fiel mir das Buch bei einer sogenannten Ramschkiste im Buchhandel auf. Das Cover bzw. der Titel sind wenig aussagekräftig, aber der Klappentext hat mich interessiert. Gekauft habe ich das Buch da noch nicht, aber dies dann später als Zufallsfund.
Und dann konnte ich mit dem Lesen nicht mehr aufhören.
Erzählt wird die Geschichte einer spaniolischen, jüdischen Familie in Jerusalem, lange vor den Ereignissen von 1948. Jerusalem ist von den Briten besetzt, dann entsteht der Staat Israel, wie wir ihn heute kennen. Dies ist keine historische Randnotiz, erleben doch alle Figuren ihr Glück und ihr Leid unter der jeweiligen Besatzungsmacht (ja, die Briten waren wenig zimperlich). Die geschichtlichen Umbrüche gehen an niemanden vorbei.
Der erzählerische Schwerpunkt liegt auf den Frauen der Familie, denen augenscheinlich kein Glück in der Liebe vergönnt ist. Die Ursachensuche dafür packt und geht unter die Haut, denn, wenn wir nicht die Kraft finden, uns von vermeintlich vorherbestimmten Zuschreibungen in der Familie zu lösen, können wir nicht frei sein. Davon erzählt dieses Buch.
Die größten Stärken sind diese: es ist kein Frauenroman, auch wenn das Cover was anderes vermuten lässt. Es zeigt aber die weibliche Perspektiven, niemand ist komplett gut oder schlecht (wenn z.B. die eine Tochter mit einem britischen Soldaten ausgeht). In die Figuren konnte ich mich trotz aller Verbitterung reinfühlen. Das ist großartig. Und „nebenbei“ erzählt es die Geschichte des modernen Israels aus einer uns eher unbekannten Perspektive, die der spaniolischen Juden, die wenig mit den anderen jüdischen Gemeinschaften gemeinsam haben. Eine Perspektive, die zeigt, dass es NIE eine Wahrheit im Nahostkonflikt, im Miteinander in Israel gibt. Dieses Buch weitet den Horizont in der Hinsicht, dass der Nahostkonflikt hoch komplex ist und eine Lösung in weiter Ferne ist. Wie ist/war es dort zu leben? Ein großartiges Geschichtserlebnis. Und dennoch kommen mir die Figuren nahe, ich lerne von ihnen, selbst nicht zu verbittern.
Und auch sonst lohnt es sich zeitgenössische israelische und palästinensische Autor*innen zu lesen. Denn nur so kann Verständnis und Empathie entstehen.
(c) Für uns gelesen von Maria Hofmeister, Juli 2020